[2024-05-11] Knapp an Kästner vorbei

Knapp an Kästner vorbei

 

Weil kein Krieg ist,

mit Wogenprall und Sturmgebraus,

ist jetzt noch unser Land zu retten,

bevor es gleicht nem Irrenhaus.

Man kann uns nicht nach Noten zähmen

wie einen wilden Völkerstamm.

Wir springen NICHT, wenn Sergeanten kommen,

vom Trottoir und wir stehn NICHT stramm.

WEIL kein ist Krieg ist,

dürfen wir stolz sein, auf unseren noch demokratischen Staat.

Und müssen NICHT pressen in den Betten,

die Hände an die Hosennaht.

Die Frauen DÜRFEN Kinder kriegen,

oder eben auch mal nicht.

Wir dürfen jobben, was wir lieben,

der Staat sorgt im Notfall für uns vor Gericht.

Fließt Blut, dann wird uns meist geholfen,

und Himbeeren kochen wir für Marmelade ein.

Am Wochenend könn wir im Garten entspannen,

und laden unsere Freunde ein.

WEIL kein Krieg ist,

leuchtet uns der Himmel,

und Schönwetterwölkchen leuchten  hell.

Die Pfarrer tragen bunte Socken,

und Gott verurteilt nicht so schnell.

Die Grenzen sind offen,

und ohne Graben.

Der Mond ist höchstens mal umwölkt.

Nur in Märchen wollen wir Kaiser haben,

und höchstens Zigarren werden verzöllt.

WEIL wir dachten, Krieg wär so fern,

ham wir die Wehrpflicht abgeschafft.

Doch daß nah bei uns Soldaten sterben,

hat Kästners Worte zur Wahrheit gemacht.

Dort liegt jetzt wohl die Vernunft in Ketten.

Dort steht man jetzt stündlich vor Gericht.

Und immer noch spielt man bei uns Operetten,

und macht zum Ernst ein sorglos Gesicht.

Zum Glück ist KEIN KRIEG –

Zumindest NOCH NICHT.

(U. Held, Mai 2024 – Workshop „Gegen das Vergessen“)