Welch Unbehagen!
Asyl ist toll. Eine gute Sache. Außerhalb meines Körpers und Geistes. In mir Asyl geben? Welch Unbehagen!
Was dringt da in mich ein? In meinen Körper, mein Gehirn, in meine Gedanken, in mein Herz?
Ich sehe eine quadratische Gebäudeanlage mit vier Wachtürmen. An jeder Ecker einer. Dazwischen hohe Mauern mit rund gedrehtem Stacheldraht darauf. In den Türmen sind Wachleute mit Maschinengewehren.
Hier kommt keiner rein! Kein Parasit, der mich auszehrt und krank macht. Kein Alien der mich manipuliert. Nichts Fremdes. Ich habe alles Recht, mich zu schützen. Der Fremde bleibt draußen. Wenn er nicht reinkommt, muss ich auch nicht kämpfen. Der Fremde ist kein Feind. Er bleibt auf der anderen Seite der Mauer mit dem Stacheldraht.
Jetzt bin ich plötzlich eine Antilope. In meinem Gehege ist es ruhig und sicher. Der Löwe ist nebenan. Manchmal kommt er an den Zaun zwischen uns und schaut zu mir rüber. Ich schrecke nicht auf, schaue mit festem Blick zurück, halte dem Blick stand.
Ich muss den Löwen nebenan akzeptieren. Es gibt ihn ja. Ich muss ihn nicht tolerieren. Gibt es zwischen Akzeptieren und Tolerieren eine Abstufung? Ich muss akzeptieren, dass es ganz andere Lebensanschauungen gibt als meine. Tolerieren muss ich sie nicht. Durch den Zaun sind die Löwen da draußen mir fast egal.
Krude Ansichten aus meinem Elternhaus? Ein sehr alter Löwe.
Verschwörungstheoretiker? Ein zahnloser Löwe.
Radikale jeder Couleur? Ein dummer Löwe.
Die meisten Löwen sind alt, schwach, zahnlos. Die Mähne fällt ihnen schon aus. Die ganz jungen Löwen tollen miteinander und jagen nicht. Vor den starken Löwen im besten Alter, schützt mich der Zaun.
Biedermann will freundlich sein und holt dem Brandstifter noch den Kandelaber. Man muss in seinem eigenen Haus dem Brandstifter nicht noch den Kandelaber holen, das ist klar. Muss ich die Brandstifter dann überhaupt erst reinlassen?
Ich kämpfe mit niemanden. Nicht im echten Leben und auch in mir nicht. Ich schütz mich. Vor Löwen, Parasiten, Aliens und Brandstiftern. Die Antilope liegt entspannt in der Prärie und atmet gleichmäßig.