Jogging-Rundkurs

„Warum zögerst du? Traust du mir nicht ?“, sagt gleich zu beginn der Zebrastreifen. „Ich passe auch dich auf“.
„Danke, doch, ich traue dir, aber ich sehe instinktiv nach links und rechts, wenn ich dich überquere. Das geht nicht gegen dich“.

„Mich hast du nicht mal beachtet. Ich weiß, ich bin hässlich“, weint die alte DB-Zentrale.
„Du bist nicht hässlich, du bist brutal. Das ist halt dein Architekturstil. Dafür kannst du nichts“.

„Hey, wo willst du so schnell hin?“, fragt die Galluswarte. „Bleib hier und trink einen mit. Ich bin das größte Wasserhäuschen weit und breit“.
„Nach dem joggen vielleicht“, antworte ich im vorbei ziehen nicht ganz ernst gemeint.

„Du schnaufst wie ein Walross“, verdreht die kleine Steigung vor der Eisenbahnbrücke die Augen.
„Ja, ich weiß, du bist nicht lang. Aber ich mag halt keine Anstiege“.

„Wir spenden dir Schatten“, sagen die Bäume in Niederrad.
Etwas zu viel Schatten für mich. Ich freue mich auf die Sonne.

„Störe mit deinem Gerenne unser Meeting nicht!“, beschweren sich die Banktürme der Frankfurter Skyline. „Wir haben Wichtiges zu besprechen. Wir sind system-relevant“.

„Ich liebe Lucas, ich liebe Anne, ich liebe Tom, ich liebe Verena“ rufen hunderte von Vorhängeschlössern auf dem Eisernen Steg wild durcheinander.
Wie viele haben später verzweifelt nach dem Schlüssel im Main gesucht?

„Hallo Kleiner, sieh her und schau, wie hübsch ich bin“, ruft mir die EZB stolz zu.
„Ja, du glänzt wie eine Diva auf der Cocktail-Party im Pailletten-Kleid. Aber ich muss weiter“.
„Ach verschwinde, du schwitzt. Ich warte auf einen echten Gentleman“.

„Morgen fahren wir los. Erst Main, dann Rhein, vielleicht darf ich auf’s Meer. Ich darf bestimmt auf’s Meer!“, hat ein angelegtes Schiff Vorfreude.
Ich will ihm die Illusion nicht nehmen und sage nichts.

„Boa, iss mir schlecht, Alter. Ich habe echt zu viel getrunken und gegessen“, klagt der mit leeren Weinflaschen und Pizza-Kartons vollgestopfte Mülleimer.
„Ja, du tust mir ein wenig Leid. Hoffentlich räumt dich jemand auf“.

„Na, wieder da? Siehst fit aus.“, lobt mich meine Haustüre.
„Danke, Kumpel, dabei habe ich gar nichts anderes getan, als alte Freunde besucht“.